merkur/tz hat geschrieben: München - Schausteller sind auf Volksfesten ins Hintertreffen geraten und klagen über eine um sich greifende „Ballermannisierung“. Wie der Münchner Merkur berichtet wollen sie ihnen nun Weltkulturerbe-Status verschaffen.
Es sind die Tage der Schausteller und Festzeltwirte. Das Rosenheimer Herbstfest ist gerade vorüber, das Münchner Oktoberfest als weltgrößtes Volksfest brodelt und der Cannstatter Wasen als Nummer fünf der deutschen Volksfeste beginnt soeben. Die Volksfest-Saison erlebt ihre alljährlichen Höhepunkte. Während sich Brauereien an solchen Veranstaltungen berauschen, haben Karussellbesitzer aber zu kämpfen. „Da geht eine imaginäre Linie durch den Festplatz“, sagt Albert Ritter über die beiden Gruppen und spricht von einer Zweiklassengesellschaft. Er ist Präsident des Deutschen Schaustellerbunds (DSB) und sieht seinen Stand im Hintertreffen.
Schausteller bemängeln eine um sich greifende „Ballermannisierung“ der Volksfeste. Die Übermacht der Bierseligkeit beschert Festzelten klingelnde Kassen, drängt Fahrgeschäfte aber oft an den Rand. Vor allem bei schlechtem Wetter stehen Schausteller im Regen, während in Bierburgen weiter der Rubel rollt. Rund drei Milliarden Euro setzt die rund 5000 Betriebe zählende Schaustellerschaft bundesweit auf wohl noch knapp 12 000 deutschen Volksfesten um. Die Besitzer von Achterbahn & Co sind froh, dass diese Größenordnung zuletzt stabil geblieben ist. In den 80er-Jahren waren es in der Spitze einmal vier Milliarden Euro. Mehr als Stagnation war aber auch in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs nicht drin.
„Wir haben immer öfter Insolvenzen“, sagt Ritter über sein von Familienbetrieben geprägtes Gewerbe. Es darben vor allem die Besitzer von Kinderfahrgeschäften, weil es hierzulande immer weniger Nachwuchs gibt. Auch spektakuläre Attraktionen sind kein Selbstläufer mehr. Ein Fanal in der Branche war es, als ein Kollege Ritters jüngst eine Großachterbahn nach Russland hat verkaufen müssen, weil sie in Deutschland nicht mehr rentabel zu betreiben war. Und auch die Zahl der Volksfeste schrumpft. 300 bis 400 vor allem kleine Veranstaltungen habe es im letzten Jahrzehnt erwischt, sagt Ritter.
Große Volksfeste wie das Oktoberfest laufen gut, räumen die Schausteller ein. Aber dort sind die Standplätze umkämpft. Wer auf kleinen Festen tingelt, kommt leicht in Schwierigkeiten, zumal Kommunen in letzter Zeit immer häufiger versuchen, leere Stadtsäckel durch ein Drehen an der Gebührenschraube zu füllen, klagt der DSB.
„An einem großen Volksfest verdient eine ganze Region, über Gebühren bezahlt wird es aber nur von Schaustellern und Wirten“, klagt Ritter. Das Beispiel Oktoberfest verdeutlicht die Strahlkraft von Großveranstaltungen. Den Wirtschaftswert der Wiesn taxiert das Tourismusamt der Isarmetropole auf rund eine Milliarde Euro. Davon wird aber nur gut ein Drittel auf dem Oktoberfest selbst ausgegeben. Über 600 Millionen Euro lassen Besucher für Verpflegung, Einkäufe, Taxifahrten oder Übernachtung anderswo in der Stadt.
Bei Schaustellern kommt unter dem Strich relativ wenig an. Jetzt sieht die Branche aber einen Hoffnungsschimmer. Das etwas sperrige Zauberwort heißt immaterieller Kulturerbestatus, verliehen durch die Unesco in Paris. Soeben habe die Bundesregierung dem DSB nach jahrelangem Ringen zugesagt, bei der UN-Organisation einen entsprechenden Grundsatzantrag zu stellen. Dann könnten Kommunen besonders traditionsbehaftete Feste als Weltkulturerbe schützen lassen, sagt Ritter. Davon verspricht er sich auch einen Schutz für die Feste in ihrem ursprünglichen Ambiente und weniger Ballermann. Das würde der Schaustellerei zugutekommen. Er kenne einige Bürgermeister in Deutschland, die bei der Unesco sofort einen Antrag für ihr Volksfest stellen würden, sobald das möglich wird, meint der Schaustellerpräsident. Dann bestehe die Chance, Volksfeste wieder familienfreundlicher zu machen und auch Ü50-tauglich.
Thomas Magenheim-Hörmann
http://www.oktoberfest-live.de/wiesn/na ... 22680.html
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